Festhalten oder loslassen - eine Freundschaft beenden?

Neulich sagte jemand zu mir, dass sie in ihrem Leben bisher keine langjährige Freundschaft aufgebaut habe. Das fand ich unter dem Aspekt „Beziehungspflege“ sehr interessant. Sich um etwas kümmern, auf dass es "gesund" bleibt und wächst. Die meisten Menschen verbinden das Wort "Beziehungspflege" mit einer Partnerschaft. Dort gäbe es Auf und Ab’s, denen es sich zu stellen gilt und diese werden oft als selbstverständlicher Teil dessen gesehen. Ich fragte mich: Ist das auch bei Freundschaften so?

 

 

Es gibt unterschiedliche Arten von Freundschaften 

 

 

Grundsätzlich gibt es viele Arten von Freundschaften und jede*r legt auf etwas anderes wert. Manche Menschen haben viele kurzlebige, wechselnde Freundschaften. Manche Menschen haben Freundschaften, die seit Kindertagen bestehen. Manche wechseln den Freundeskreis gleich komplett mit einer neuen Arbeitsstelle. So gibt es ganz unterschiedliche Formen. 

 

Ich habe nach diesem Gespräch länger über Freundschaft nachgedacht. Ich habe Freundschaften, die seit langer Zeit bestehen - mindestens 20 Jahre. Für mich war das nie etwas Bemerkenswertes. Ich dachte: Warum auch nicht?

 

Jedoch viel mir auf, dass es für mich selbstverständlich ist, dass es in einer Partnerschaft Auf und Ab’s gibt, dass man sich mal näher ist und mal nicht. Diese Annahme habe ich nie auf Freundschaften angelegt, die ja letztlich nichts anderes als Beziehungen sind, in denen das Gleiche passieren kann. Ich dachte immer, dass Freundschaften einfach weiter „mitlaufen“ und man zusammen wächst. Wie es aber auch in einer Partnerschaft sein kann, dass man sich „auseinander lebt“, so kann das natürlich auch in einer Freundschaft passieren.

 

 

Lebensschwerpunkte können sich unterschiedlich entwickeln  

 

 

Lebensschwerpunkte können sich unterschiedlich entwickeln. Das was einen früher miteinander verbunden hat, tut es manchmal nicht mehr. Manchmal wird das von beiden Seiten erkannt und akzeptiert. Manchmal nicht. Interessant dabei finde ich, dass es in Freundschaften so gut wie nie eine Art „Schluss machen“ gibt, wie es in den meisten partnerschaftlichen Beziehungen passiert. Ein Gespräch in dem die Karten auf den Tisch gelegt werden, wo eine Aussprache statt findet oder einfach beschlossen wird, dass es an der Zeit ist getrennte Wege zu gehen.

 

In den letzten 2 1/2 Jahren hatte ich eine Freundschaft, die schon sehr lange bestand, die sich für mich aber nicht mehr so richtig stimmig anfühlte. Die Lebensführung und (Lebens-)entscheidungen, die getroffen wurden, lagen einfach weit auseinander. Ich sah nicht mehr viele Gemeinsamkeiten, außer der Vergangenheit. Das hat mich sehr beschäftigt. 

 

Mir stellte sich dabei die Frage, was tun? Das Gespräch suchen? Ja, worüber eigentlich so genau? Dass das Leben der anderen Person so ganz anders aussieht, als das eigene? Dass da ganz unterschiedliche Werte und Ziele dahinterstehen, lässt sich in einem Gespräch ja erst mal nicht auflösen. Das ließ mich lange Zeit etwas ratlos zurück und war auch schmerzhaft. 

 

Ich kam mir eine zeitlang irgendwie ganz schön „verlogen“ vor, so zu tun, als ob alles so wie immer wäre. Und die ganze Zeit fragte ich mich, ob es der anderen Person vielleicht aus so geht? Das zu thematisieren ist viel einfacher gesagt als getan.

Mir kam dann irgendwann der Gedanke, dass es auch in Freundschaften Phasen der Nähe und der Distanz gibt. Dass gerade in einer Freundschaft, die schon seit 20 + Jahren besteht, auch mal längere Phasen der Distanz bestehen können, die auf lange Sicht dann viel weniger Raum einnehmen und weniger von Bedeutung sind, als in kürzeren Freundschaften. 

 

 

Wann ist die Zeit gekommen loszulassen? 

 

 

Wann ist aber die Zeit gekommen loszulassen? Wann hält man - ich - an etwas fest, das keine Zukunft mehr hat? 

In einem tollen Artikel von Bettina Hielscher las ich folgende Kriterien, die Anzeichen dafür sind, dass es Zeit sein könnte, eine Freundschaft zu beenden bzw. loszulassen:

 

  • Wenn ein Treffen mehr Pflichtgefühl und Last ist, als ein schönes Ereignis
  • Wenn du nicht mehr weißt, was im Leben deiner Freundin passiert und es dir egal ist
  • Wenn es dich nicht stört, dass deine Freundin nicht weiß, was in deinem Leben passiert
  • Wenn einem „Lass uns mal wieder treffen“ keine Taten folgen– sowohl von dir, als auch von deiner Freundin
  • Wenn du deine Freundin nicht in deinem Leben vermisst
  • Wenn das, was euch verbunden hat, nicht mehr existiert
  • Wenn sich deine Freundin immer meldet und du dich nie bei ihr
  • Wenn du nicht mehr das Gefühl hast, für sie da sein zu wollen

 

Bei 1-2 Punkten klang etwas in mir an. Die allermeisten Punkte treffen jedoch nicht zu. Und so beobachtete ich noch einige Zeit und gab auch immer mal wieder kleine Hinweise bzw. Anregungen, was mich in der Freundschaft beschäftigte. Solche Hinweise dürfen dann auch erst einmal ein wenig "atmen", bevor sie weiter und besprochen werden;  gerade wenn sich gewisse Abläufe und Gepflogenheiten über lange Zeit etabliert haben. Grundsätzlich sind meine Freundin und ich auf einem gutem Weg und ich glaube an viele weitere Jahre dieser Freundschaft. 

 

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Vielleicht hat Dich dieser Artikel zum Nachdenken angeregt. Im Downloads Bereich findest Du einige anregende Arbeitsblätter. Diese können wertvolle Impulse geben bzw. das Nachsinnen unterstützen. Zu diesem Artikel empfehle ich "Das Lebensrad". 

 

 

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Bücher zum Thema:

"Aus und vorbei" von Dorothee Röhrig

"Freundschaft beenden?" von Bettina Hielscher 

(Unbezahlte Werbung)

 

Den Artikel von Bettina Hielscher findest Du hier

 

Foto: Janko Ferlic, Unsplash